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Transit-Oriented Development als Planungsprinzip

Wenn man deutsche Planer nach "Transit-Oriented Development (TOD)" fragt, erntet man bisweilen nur ein Achselzucken. In der Tat gibt es zu diesem Begriff nicht einmal einen deutschsprachigen Wikipedia-Eintrag, geschweige denn eine annähernd greifbare Übersetzung, die sich aufgrund der im Deutschen eher unglücklich klingenden Abkürzung des Englischen anbieten würde. Frei übersetzt reden wir über "am ÖPNV ausgerichtete Stadtentwicklung".
Auf internationalen Konferenzen und vor allem bei städtebaulichen und verkehrlichen Projekten aller Art in Amerika, Asien und Afrika sind TOD-Konzepte allgegenwärtig und als Begriff in der konzeptionellen Planung nicht mehr wegzudenken. Großstädte wie Los Angeles, Washington DC, Curitiba, Delhi, Shanghai oder Hong Kong, haben TOD-Prinzipien bereits vollständig in ihre jeweilige Planung und Stadtentwicklung integriert. Auch in Europa findet das TOD-Prinzip in abgewandelter Form breite Anwendung, wie z.B. in den Niederlanden, Dänemark oder Großbritannien. Warum jedoch ist dieses Lehrbuch-Konzept in Deutschland kaum verbreitet?
Was ist TOD?
Als Konzept und Begriff definiert wurde "Transit-Oriented Development" Ende der 1980er Jahre von Peter Calthorpe, einem US-Amerikanischen Architekten und Stadtplaner. Allgemein wird TOD heute als "eine gemischt genutzte Nachbarschaft, die Menschen dazu ermutigt, in der Nähe von öffentlichen Verkerhsangeboten zu leben und dadurch ihre Abhängigkeit vom Autofahren zu verringern" definiert ("a mixed-use community that encourages people to live near transit services and to decrease their dependence on driving"). Über die Jahrzehnte der autogerechten Stadtplanung entstanden vor allem in den USA, aber auch in Europa, die bekannten und berüchtigten "Suburbs" (Vororte). Zersiedelte, weit verstreute Einfamilienhaussiedlungen, bisweilen geprägt durch Sackgassen und großzügig angelegte Wohnstraßen, angebunden an regionale Schnellstraßen. Eine vollkommene, funktionale Trennung von Wohnen und Arbeiten. Ein Trend der bereits im späten 19. Jahrhundert einsetzte (vgl. E. Howard's "Garden Cities") und im Zusammenspiel mit der einsetzenden motorisierten Individualmobilität seine Krönung fand.
Bei der Rolle des öffentlichen Nahverkehrs in dieser Phase sprechen Experten gerne vom "Development-Oriented Transit", also von einem an der Stadtentwicklung ausgerichteten ÖPNV, der schlicht auf Siedlungsentwicklungen bedarfsgerecht reagiert. Hierzulande kennen wir dieses Vorgehen anhand der im Fokus stehenden "Erschließung und Bedienung von Gebieten" in Nahverkehrsplanung und ÖPNV-Konzepten). Als in den 1980er und 90er Jahren zunehmende Kritik am autogerechten Stadtentwicklungsmodell aufkam und neue Konzepte wie TND ("Traditional Neighborhood Design") und "New Urbanism" entwickelt wurden, rückte auch der öffentliche Verkehr stärker in den Fokus. Stadtplaner ebenso wie Umweltschützer suchten vermehrt Mittel und Wege, um die allgemeine Abhängigkeit vom Automobil zu reduzieren. "Kompakte, nachhaltige Stadtentwicklung" und das Prinzip "Innenverdichtung vor Außenentwicklung" wurden schließlich zu neuen städtebaulichen Leitbildern.
Diese Leitbilder fokussierten sich jedoch noch zu selten auf das Thema ÖPNV als determinierende Hauptkomponente der Planung. Kritiker wie Calthorpe bemängelten eine allzu autozentristische Vekehrsplanung, der es oft nur um das reduzieren von Wegen (Trips), der Vermeidung von Durchgangsverkehr oder optimierten Straßenhierarchien ging. Im Jahr 1993 publizierte Calthorpe die erste umfassende Definition für "Transit-Oriented Development" mitsamt seiner spezifischen Kernkomponenten:
- Organisation von Wachstum auf regionaler Ebene in kompakter, ÖV-unterstützter Weise
- Platzierung von Gewerbe, Wohnen, Büroparks und öffentlichen Nutzungen in fußläufiger Erreichbarkeit von ÖV-Haltepunkten
- Herstellung von fußgängerfreundlichen Straßennetzen, welche alle lokalen Ziele miteinander verbinden
- Herstellung eines Mix von Wohntypologien, -dichten und -preiskategorien
- Schutz von sensiblen Habitaten, Uferzonen an Gewässern sowie hochqualitativen Freiflächen
- Öffentliche Flächen sollen in den Fokus von Gebäudeanordnungen und nachbarschaftlichen Aktivitäten rücken
Mit diesen Grundsätzen wurde ein klarer Gegenentwurf zur "Autogerechten Stadt" erstellt. Seit Calthorpes Definition wurde das Verständnis und der Umfang von TOD-Konzepten stetig weiterentwickelt und in diversen, oft länder- oder stadtspezischen Leitfäden und Richtlinien festgehalten.
Eine Vorreiterrolle des amerikanischen TOD-Trends nimmt das Arlington County ein. Unmittelbar vor den Toren der US-Hauptstadt Washington, hat man die planerischen Prinzipien des TOD (noch weit vor seiner offiziellen Definition) in der Stadtentwicklung verankert.
Seit mehr als 30 Jahren versucht Arlington den Großteil seiner urbanen Entwicklung innerhalb eines Viertel- bis Halbe Meile Umkreises (400 bis 800 Meter) um die Rapid Transit Stationen der Washingtoner Metro sowie hochfrequentierter Buslinien zu konzentrieren.
Innerhalb dieser Bereiche werden regulatorische Anreize zu dichter Bebauung, Mischnutzung und fußgängerfreundlicher Straßengestaltung gegeben. Der Transitkorridor ist heute klar im Stadtbild zu erkennen und eines der erfolgreichsten Beispiele ÖPNV-orientierter Stadtentwicklung.
Arlington County hat daher bis heute eine führende Rolle in diversen Bereichen, von "Smart Growth" über Freiflächenschutz bis hin zum sehr gut angenommenen Bike-Sharing.
Curitiba
In den 1950er und 60er Jahren wuchs die Stadt Curitiba rasch an und expandierte ins Umland. Ende der 1960er Jahre wurde als Reaktion darauf durch den Architekten und späteren Bürgermeister Jaime Lerner der Curitiba Master Plan entworfen. Dieser beinhaltete, um den historischen Charakter und ausufernde Suburbanisierung zu verhindern, neben der Einrichtung von Fußgängerzonen und Verkehrsberuhigungsmaßnahmen als Herzstück den Aufbau eines BRT (Bus Rapid Transit) Systems. Da Stadtbahn- oder Straßenbahnsysteme zu kostspielig gewesen wären, wurden spezielle Doppelgelenkbusse gebaut, welche an straßenbahnähnlichen Haltestellen entlang der großen Einfallstraßen und Expansionskorridore verkehrten.
Die "natürliche" Siedlungsentwicklung wurde damit gestärkt und gelenkt, in dem um die BRT-Stationen die Siedlungsfläche verdichtet wurde. Gebäude mit bis zu 6 Etagen wurden entlang der ÖPNV-Korridore zugelassen um sicherzustellen, dass genügend Menschen (bzw. ÖPNV-Nutzer) in fußläufiger Erreichbarkeit zu den Buslinien verkehren können. Je weiter die Siedlungsflächen vom ÖPNV-Korridor entfernt waren, desto geringer wurde die Dichte der Bebauung.
Heute ist Curitiba eine vielfach ausgezeichnete Stadt mit globalem Vorbildcharakter für Innovation, Nachhaltigkeit und resiliente Stadtplanung. Durch die starke Verdichtung von Siedlungsräumen entlang der ÖPNV-Achsen, konnte auf Bebauung in anderen Gebieten gar gänzlich verzichtet werden. Dies macht Curitiba heute noch zu einer der grünsten Städte der Welt. Obwohl sich die Bevölkerung seit den 1970er Jahren verdoppelte, sank der Autoverkehr um ganze 30%. Das ÖPNV-System verzeichnet mehr als 2 Millionen Fahrgäste pro Tag. Curitiba hat heute die geringste Luftverschmutzungsrate aller brasilianischen Städte.
BRT-Station in Curitiba (Quelle: Wikimedia)
Hong Kong
In Hong Kong wird bereits seit mehr als drei Jahrzehnten eine besondere Stadtentwicklungsstrategie umgesetzt: "Rail plus Property", also "Schiene plus Immobilien". Mit diesem Modell hat man es in Hong Kong gar geschafft, den Teufelskreis eines defizitären ÖPNV-Systems zu durchbrechen. Jährlich macht die MTR Corporation, das Verkehrsunternehmen der Stadt, einen Gewinn von mehr als 1 Mrd. US-Dollar.
Ermöglicht wird dies durch "Rail plus Property" (R+P). Für Neubau und Aufwertung des Schienennetzes vergibt die Stadtverwaltung die kompletten Entwicklungsrechte ("development rights") des Geländes an Stationen und Depots an die MTR. Um diese Entwicklungsrechte umzuwandeln, zahlt MTR der Regierung eine Landprämie, die auf dem Marktwert der Fläche ohne Eisenbahn/SPNV basiert. MTR baut dann die neue Linie und arbeitet mit privaten Entwicklern zusammen, um Immobilien zu bauen. Die Wahl des privaten Entwicklers erfolgt im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens. MTR erhält einen Teil der Gewinne, die Entwickler mit diesen Immobilien erzielen.
Dieser Anteil kann ein Prozentsatz des gesamten Entwicklungsgewinns, eine feste Pauschale oder ein Teil der auf dem Gelände errichteten Gewerbeimmobilien sein. Durch die Erfassung eines Teils des Werts des Grundstücks und des Grundstücks rund um SPNV-Linien generiert MTR Mittel für neue Projekte sowie für Betrieb und Wartung. Deshalb braucht die MTR keine staatlichen Subventionen oder Kredite. Beispielsweise flossen die Einnahmen aus den R+P-Entwicklungen der Stationen entlang der MTR-Linie Tseung Kwan O in die langfristige Erweiterung dieser Linie. Entlang der Erweiterung wurde eine neue Stadt erschlossen, die inzwischen dank der Anbindung auf 380.000 Einwohner angewachsen ist.
Dieses Modell ist mehr als eine reine Quelle zur ÖPNV-Finanzierung geworden. Es wurde zu einem kritischen Bestandteil des Stadtentwicklungsansatzes. Die Behörden versuchen jede neue Linie oder Linienerweiterung zu einem Korridor zu gestalten, in dem gut geplante, qualitativ hochwertige Gemeinden gedeihen können. Die R+P-Entwicklungen um die Stationen sind zudem keine reinen Bedienungs- oder Verknüpfungsstationen. Sie bieten eine Vielzahl an Annehmlichkeiten, mit denen die Menschen ihre täglichen Bedürfnisse erfüllen können: morgens Kaffee kaufen, E-Mails abrufen und über kostenloses WLAN auf Informationen zugreifen, Wäsche waschen oder Abendessen abholen.
Die MTR versteht sich dabei als klarer Lifestyle-Supporter, der die Wahl den ÖPNV zu nutzen, zur logischen und natürlichen Entscheidung macht. Mit Fußgängerkorridoren, welche die Stationen mit umliegenden Gebäuden und Parks verbinden, verankern R+P-Entwicklungen kompakte, fußgängerfreundliche und ansprechende Gemeinden.
Hong Kong hat durch R+P eindrucksvoll bewiesen, wie die Integration von ÖPNV in die Immobilien- und Stadtentwicklung dazu beitragen kann, öffentliche Verkehrssysteme finanziell unabhängig zu betreiben und ein nachhaltiges städtisches Wachstum zu fördern. Heute gilt die Stadt in Asien als eine der absoluten Vorbilder in Bezug auf Transit-Oriented Development, welches nicht nur profitabel betrieben sondern zeitgleich eine nachhaltige und kompakte Stadtentwicklung ermöglicht.
So funktioniert das Rail+Property Modell in Hong Kong (Quelle: MTR)
Kopenhagen
Ein früher Vorreiter in Europa stellt die Stadt Kopenhagen dar. Heute als eine wahrhafte Fahrradhauptstadt bekannt, entstammt dieser Erfolg vor allem aus der Frühzeit seiner Expansion und dem dafür 1947 entwickelten "Finger Plan".
Entlang von fünf Achsen, die wie eine ausgestreckte Hand erscheinen (daher der Name), sollte sich die urbane Entwicklung konzentrieren. Die fünf Finger bzw. Achsen bilden S-Bahnlinien. Um die Haltepunkte herum entstanden die suburbanen Ortschaften Kopenhagens. Zwischen den Fingern, wurden weitreichende Grün- und Agarflächen angelegt bzw. erhalten, welche für die Land- und Fortstwirtschaft ebenso wie für Freizeit- und Erholungsfunktionen vorgesehen wurden.
Heute, auch aufgrund dieser vorausschauenden Planung, gilt Kopenhagen als eine der klimafreundlichsten und nachhaltigsten Städte der Welt.
Transit-Oriented Development in Deutschland?
In Deutschland tut man sich bisweilen schwer damit, klar benannte oder gar beworbene "Paket-Konzepte" zu kommunizieren. Deshalb ist eine eindeutige Deklarierung von TOD-Projekten - als solche - kaum existent.
Zum einen mag dies der Kleinräumigkeit und historischen Entwicklung deutscher Städte und Gemeinden geschuldet sein. Suburbanisierungsexzesse, wie wir sie aus den USA kennen, existieren kaum in einem vergleichbaren Maßstab. Die sog. "Edge Cities", also Einkaufs- und Versorgungszentren an Verkehrsknotenpunkten außerhalb bestehender Städte, gibt es zwar auch in Deutschland. Sie nehmen jedoch international verglichen in vielen Fällen eine eher ergänzende Rolle zu den bestehenden Stadt(-teil)zentren ein (z.B. Großhandel, Einrichtungshäuser, Shopping Malls usw.).
Zudem spielt der ÖPNV in Deutschland als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge traditionell eine höhere Rolle als in vielen anderen Ländern. Beispielsweise wurde die nationale Bahninfrastruktur auch in den Hochphasen autogerechter Stadtentwicklung gepflegt und ausgebaut. So entstanden gerade in den 1960er und 70er Jahren zahlreiche Stadtbahn- und Straßenbahnnetze als Alternative oder Ergänzung zum privaten Auto.
Skurriler Weise sind erst seit den wirtschaftlichen Konsolidierungsphasen der 1990er Jahre vermehrt Streckenstillegungen und Bahnhofsschließungen zu beobachten, also just in Zeiten sich wandelnder städtebaulicher Leitbilder und stärkerem Umweltbewusstsein. Damit erwecken Bund, Länder und Kommunen den Eindruck, in eigentlich vergangenen Zeiten des "Development-Oriented Transit" steckengeblieben zu sein - ÖPNV nur dort, wo es aufgrund urbaner Gegebenheiten oder Entwicklungen sein muss - und dies auf einem der bestehenden Nachfrage angepasstem Niveau. Die klassische "bedarfsgerechte" Planung.
Eine bislang oftmals verfehlte integrierte Stadt- und Verkehrsentwicklung mit Priorisierung des Nahverkehrs lässt sich auch daran erkennen, dass selbst heute noch viele Bahn- und SPNV-Haltepunkte im sprichwörtlichen Nirgendwo liegen, abseits dichter Bebauung, teils aber auch inmitten von nur monofunktionalen Wohn- oder Gewerbegebieten.
Darauf basierend werden ÖPNV-Linien oftmals funktional hierarchisiert, was sich in diversen Linienverläufen und Bezeichnungen widerspiegelt: Zubringerlinien, Stadtbuslinien, Schülerverkehrslinien, Schnellbuslinien, oder Erschließungslinien werden in Nahverkehrsplänen definiert und durchgetaktet. Das Prozedere des Identifizierens von Erschließungs- und Bedienungslücken und das Schaffen von "besseren Anbindungen" steht bei Planern und Entscheidungsträgern immer noch im Vordergrund - Erst die Stadt, dann der ÖPNV: Development-Oriented Transit.
Paradigmenwechsel, Verkehrswende und Klimaschutz
Eine neue Chance in Deutschland vermehrt auf Transit-Oriented Development zu setzen, ergibt sich durch aktuelle Herausforderungen wie den Klimawandel und die damit eingeforderte Verkehrswende. Politische Akteure sind sich weitestgehend einig, dass der Verkehrssektor stark zum Klimaschutz beitragen muss, sollen die gesteckten CO2-Ziele erreicht werden. Dies bedingt fast schon zwangsläufig, dass weitreichende Investitionen in Ausbau und Modernisierung des ÖPNV gesteckt werden.
Im Sinne des Klimaschutzes bzw. einer CO2-Emmissionsreduktion reicht es hier nicht aus, Bedienungslücken zu schließen oder die Taktung von Buslinien zu erhöhen - dies könnte sogar kurzfristig kontraproduktiv sein, betrachtet man den immer noch verschwindend geringen Anteil an Elektrofahrzeugen im Fuhrpark vieler Verkehrsunternehmen.
Der Aus- und Neubau von elektrisch betriebenen Straßen- und Stadtbahnen bietet hier das größte Potential. Will man dies vor allem tun, um mehr Fahrgäste zum Umstieg von Auto auf ÖPNV zu bewegen, muss sich die weitere Stadtentwicklung klar am ÖPNV-Ausbau orientieren. Der ÖPNV muss zum Taktgeber der Stadtentwicklung werden. Transit-Oriented Development ist, so zeigen es die internationalen Beispiele, um ein Vielfaches effektiver als die oftmals diskutierten Taktverdichtungen oder populistisch geforderten kostenlosen Tickets. Der ÖPNV muss sich in seinem Selbstverständnis von der bedarfsgerechten Grundfunktion hin zu einer echten Angebots- bzw. Lifestyle-Alternative weiterentwickeln.
Durch lange Planungszeiträume bei der Entwicklung neuer Straßen- und Stadtbahnlinien besteht ebenso ein Vorteil, schon frühzeitig städtebaulich-integriert zu Denken und zu handeln und nicht erst an die fast vergessene ÖPNV-Anbindung im Zuge von Wohnneubauprojekten zu denken.
Bedarfsplanung und die Kosten-Nutzen-Falle
Ein Dilemma, dem Politik, Verwaltungen und Planer gegenübersetehen ist die sog. "Standardisierte Bewertung" für den schienengebundenen ÖPNV. Hier wird generell für die Finanzierung und Machbarkeit von ÖPNV-Maßnahmen vom Gesetzgeber erwartet, dass eine positives Nutzen-Kosten-Verhältnis einer Maßnahme nachgewiesen werden kann.
Sprich: der Bedarf muss vorhanden bzw. nachgewiesen sein, bevor eine Linie gebaut werden kann. Viele Planungen für Linienverlängerungen oder Neubaustrecken scheitern hier, da die aktuellen Bedarfe nicht im Verhältnis zu den Kosten stehen. Eine solche Bewertung ist legitim, erfordert aber bereits die genaue Kenntnis aller siedlungs- und verkehrsentwicklerischen Szenarien für die nächsten 10+x Jahre.
Noch nicht explizit geplante oder ausgewiesene Siedlungsflächen (Potentiale), können in der Standardisierten Bewertung damit wenn überhaupt nur hypothetisch bewertet werden. Womit wir wieder beim Development-Oriented Transit wären. Ohne konkret zu erwartenden Bedarf, kein ÖPNV. Dies mag aus finanzieller Sicht absolut sinnvoll sein, erschwert aber auch eine proaktive integrierte Stadt- und Verkehrsentwicklung. In Hong Kong hat man dieses Dilemma vor Jahrzehnten bereits erkannt und den sprichwörtlichen Spies einfach umgedreht: Die Kosten-Nutzen-Kalkulation für Immobilienprojekte unter Einbeziehung des ÖPNV.
In Deutschland sollten sich Planer und Entscheidungsträger daher frühzeitig und proaktiv mit Szenarien zur städtebaulichen und verkehrlichen Entwicklung befassen und diese in Einklang bringen. büro stadtVerkehr berät aktuell mehrere Kommunen bei der langfristigen Vorbereitung von Transit-Oriented Development. Dabei gilt, Stadtbahn- oder Straßenkorridore frühzeitig zu identifizieren, deren Flächen planerisch und rechtlich freizuhalten, sowie die künftige Siedlungsentwicklung daran auszurichten.
Neben Konzepten zur Umsetzbarkeit und der Entwicklung von verschiedenen Szenarien und Bewertungen ebendieser, sind in der Folge auch Flächennutzungspläne und städtebauliche Satzungen anzupassen. Dies passiert nicht von heute auf Morgen, aber wird langfristig - so zeigen es die internationalen Beispiele bereits - der erfolgreichste Beitrag zur klimagerechten Verkehrswende sein.